2. Workshop

23.-24. Juli 2015 an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Organisation: Prof. Dr. Jörn Müller

Thema: Antike Philosophie in Rom - Paradigmen einer interkulturellen Aneignung

Das Ziel dieser interdisziplinären Tagung ist es, die interkulturellen Transformationsprozesse der Rezeption der griechischen Philosophie in Rom exemplarisch auszuloten. Während lange Zeit dieser Prozess in der Forschung tendenziell ein Schattendasein geführt hat, da er vor allem als unselbständige, rein rezeptive und damit weitgehend zu vernachlässigende Seitenlinie der antiken Philosophie angesehen worden ist, hat in den letzten Jahrzehnten ein erkennbarer Wandel in der Forschungslandschaft eingesetzt und werden die einschlägigen römischen Autoren philosophischer Werke – v.a. Cicero, Lukrez, Seneca und Marc Aurel – als ernstzunehmende Vertreter der helle­nistischen Lehren betrachtet. Im Gegensatz zu einem häufig zu beobachtenden strikt doxographischen Interesse, das die untersuchten Autoren bzw. Werke in erster Linie als produktive Kritiker und Fortsetzer der griechischen Philosophen­schulen wahrnimmt und darstellt, möchte diese Tagung auch den über­geordneten kultur- und bildungsgeschichtlichen Zusammenhang dieser produktiven Aneigung der griechischen Philosophie durch römische Autoren berücksichtigen.

Bekanntlich unterlag das Philosophieren in Rom äußerst spezifischen kulturellen Rezeptionsbedingungen, was seinen Niederschlag in bestimmten inhaltlichen, methodischen und funktionalen Präferenzen ihrer dortigen Träger fand. So standen die Römer rein theoretischen Zugängen zur Philosophie als „System“ oft eher skep­tisch gegenüber und konzentrierten sich auf Philosophieren als „Lebensform“ bzw. -kunst (Pierre Hadot), die in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens – v.a. Politik, Erziehung, Religion, Literatur – ‚verwertbar‘ ist. Dabei trat die spezifisch römische Konzeption von Philosophie als praktischer Lebenslehre in ein wechselvolles Verhältnis zu den traditionellen Formen der römischen Weltorientierung (wie etwa den historischen exempla und allgemein den mos maiorum) und erzeugte dabei ein dauerhaft facettenreiches, spezifisch römisches Amalgam. Die herkömmlichen Orientierungsweisen wurden von der neu aufkommenden Philosophie nämlich keinesfalls verdrängt, sondern dienten vielmehr als Gradmesser für den Nutzen und die Berechtigung, sich mit der Philosophie zu beschäf­tigen. Ein solches Philosophieren zwischen den Polen von Innovation und Tradition stellte eines der wichtigen Profilelemente des philosophischen Diskurses in Rom dar, wobei nicht zuletzt die Verzahnung von Philosophie und Rhetorik eine ganz zentrale Rolle spielte.

Mit anderen Worten: Die griechische Philosophie wurde im antiken Rom nicht nur einfach übernommen, sondern für die spezifischen Interessenlagen adaptiert und nachhaltig transfor­miert. Es handelte sich somit keineswegs um einen einsträngig zu deutenden Kulturtransfer, in dem bloß eine weitere doktrinale Ausdifferenzierung der hellenistischen Philosophenschulen und ihrer Lehren stattfand, sondern um eine komplexe interkulturelle Form der Aneignung, die ihrerseits Formen und Inhalte des Philosophierens in toto nachhaltig verwandelte.

Exemplarisch sollen in dieser Tagung bestimmte Felder untersucht werden, in denen die trans­formative Aneignung der griechischen Philosophie übergreifende Entwicklungs­pro­zesse für die römische Gesellschaft freisetzte. Konkret sind damit Politik, Religion, Literatur und rhetorische Bildung angesprochen, deren typische Strukturen auf die Aus­­bil­dung einer spezifisch römischen Form des Philosophierens zurückwirken – und ebenso wieder von dieser beeinflusst werden. Ebenso lässt sich dieser Prozess als Paradigma interkultureller Trans­formation begreifen, das im Blick auf die mögliche Gegen­wärtigkeit der untersuchten Phänomene diskutiert werden kann. Auf diese Weise soll auch die mögliche historische Tiefen­dimension derartiger For­schung stärker konturiert werden, und zwar hinsichtlich potenzieller analytischer Kategorien und (inter-)kultureller Wahrnehmungsmuster.

Gäste sind herzlich willkommen, die Teilnahme ist kostenlos. Um eine Anmeldung unter bruno.langmeier@uni-wuerzburg.de wird gebeten. Speziell hinweisen wollen wir Sie auf den öffentlichen Abendvortrag von Prof. Dr. Michael Erler am 23. Juli.

Kontakt für Rückfragen:

Prof. Dr. Jörn Müller

Professur für antike und mittelalterliche Philosophie
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Institut für Philosophie
Residenzplatz 2
97070 Würzburg
Tel. 0931-3182856
joern.mueller@uni-wuerzburg.de

 

Programm

Abendvortrag von Prof. Dr. Michael Erler